Auf der längsten Mauer…

Bild: Frank Seidel auf der Chinesischen Mauer bei Mutianyu, China - Reiseblog von Frank Seidel

Peking, 06.09.2006 (Weltreise, Tag 53)

Was ist so groß, dass man es mit dem bloßen Auge aus dem Weltall sehen kann? Richtig: die Chinesische Mauer – und heute mache ich einen Ausflug genau dort hin. Wieder so ein Reisetraum der in Erfüllung geht – unglaublich, dass ich heute auf der größten und längsten Mauer der Welt stehen werde…

Eine richtige Entscheidung…

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Große Mauer (wie sie auch genannt wird) zu besuchen. Die bekannteste und von Touristen am häufigsten genutzte ist die bei Badaling (60 km nordwestlich von Peking) – dementsprechend voll mit Menschen ist es dort.

Dem wollte ich entgehen und entschied mich bereits bei der Vorbereitung zu Hause für eine zweite Alternative: den Abschnitt bei Mutianyu. Das liegt etwa 70 km nordöstlich von Peking und ist bei weitem nicht so überlaufen…

Ich habe das Ganze als Tagesausflug geplant und bereits von zu Hause aus gebucht. Dabei steht mir heute ein Privatauto mit Fahrer und ein zusätzlicher Privatguide zur Verfügung. In der Früh werde ich direkt im Hotel abgeholt und der Spaß kann beginnen…

Neben dem Besuch der Mauer möchte ich mir auch noch den Heiligenweg und die Minggräber anschauen. Beides ist, genau wie ein traditionelles Mittagessen, im Gesamtpreis inkludiert. Ich bekomme all das zu einem Preis von 99 Euro (inkl. aller Eintrittsgelder). Da kann man nicht meckern, oder?

Kein Mensch weit und breit…

In Mutianyu angekommen, lasse ich Fahrer und Guide zurück und fahre mit einer Seilbahn hinauf zur Mauer. Hier kann ich mich vollkommen frei bewegen – und habe dafür rund drei Stunden Zeit. Ich muss mich nur entscheiden, ob ich die Mauer nach links oder nach rechts laufe…

Ich entscheide mich für den Weg nach links, ahne aber noch nicht, wie anstrengend das wird…

Was auf der Karte noch recht kurz aussieht, ist tatsächlich ein durchaus weiter Weg. Alles was Sie auf den Fotos sehen, habe ich auch tatsächlich bewandert. Und das bei 35° Hitze, knallender Sonne und entsprechend hoher Luftfeuchtigkeit – ein Saunabesuch ist nichts dagegen…

Aber: sehen Sie auf den Fotos irgendwo Menschen? Nein! Natürlich war ich nicht ganz alleine – aber die Menschen verlaufen sich. In Badaling, wo die Touristen busweise hingebracht werden, geht es bestimmt ganz anders zu…

Ein holpriger Weg…

Der Bereich der Mauer bei Mutianyu (und auch der bei Badaling) sind für die Touristen restauriert worden. Dennoch ist die Wanderung auf der Mauer nicht einfach. Highheels o.ä. Schuhe sind absolut fehl am Platz, Turn- oder Wanderschuhe hingegen das Maß aller Dinge.

Der gesamte Weg besteht aus unregelmäßig verlaufenden Steinen und Ziegeln und auch die vielen zu überwindenden Stufen sind unreglmäßig hoch. Man sollte mit größter Vorsicht unterwegs sein, will man die Mauer nicht aus einer ganz bodennahen Perspektive kennenlernen…

Ich finde einen tollen Platz für DAS eine obligatorische Erinnerungsfoto – Sie wissen schon, dass Titelbild dieses Posts. Die ganze Mauer für mich alleine – fast könnte man das wirklich glauben…

Andererseits habe ich für solche Augenblicke offensichtlich ein Talent. In New York gelang es mir einmal, am hellichten Tag der einzige Mensch auf der Plattform des Empire State Building zu sein – es war gerade Nebel und das war ein fantastisches Erlebnis…

Von Türmen und Leitern…

Bei meiner Wanderung auf der Mauer komme ich immer wieder an Wachtürmen vorbei. Der Weg führt mich entweder hindurch oder manchmal auch über eine schmale Leiter hinauf aufs Dach, von wo aus es dann weiter geht…

Das letzte Stück meines Weges auf der Großen Mauer wird dann zu meiner größten Herausforderung. Zunächst muss ich über eine Leiter auf das Dach eines Wachturms steigen (Foto Nr. 27) – dann kann ich das ganze Ausmaß dessen, was da auf mich zukommt, aus der Nähe bewundern…

Ab Foto Nr. 28, wo ich im Schneidersitz auf der Treppe sitze, wird es ernst. Ich bin eigentlich guter Dinge und denke mir so: die paar Stufen können doch nicht wirklich ein Problem sein… Und dann denke ich: da soll ich wirklich hinauf? Im Ernst? Soll ich nicht doch einfach umkehren?

Und dann – das ahnen Sie vermutlich schon – laufe ich natürlich wirklich hinauf! Aber wie ich hinterher aussehe… nass geschwitzt, aber taumelnd vor Glück. Also: mit letzter Kraft Stativ aufstellen, Daumen hoch und ab dafür. Dieses Foto (Nr. 32) habe ich mir wahrlich im Schweiße meines Angesichts verdient…

Gleichzeitig habe ich mit dieser Klettertour das Ende des zugänglichen Teils der Mauer erreicht. Ein trostloser Anblick – denn abgesehen von den für Touristen zugänglichen Abschnitten, lassen die Chinesen dieses einmalige Bauwerk aus Kostengründen einfach verrotten…

Hier geht es also nicht mehr weiter und daher bleibt mit nichts anderes übrig, als den gesamten Weg einfach wieder zurückzugehen – aber jetzt geht es ja bergab…

Nur der Kaiser wird getragen…

Nach dieser Anstrengung stärke ich mich erst mal mit einem traditionellen chinesischen Mittagessen, was im Übrigen sehr lecker ist…

Danach geht es weiter zu den Ruhestätten der großen Ming-Kaiser  – diese liegen etwa 44 km nördlich von Peking. Drei dieser Mausoleen sind derzeit für Besucher geöffnet.

Vorher schaue ich mir aber den beeindruckenden Heiligenweg an. Der Heiligenweg, auch Seelenweg genannt, war der letzte Weg, den die Kaiser nach ihrem Tod zu gehen hatten…

Vom Anfang bis zum Ende verläuft dieser Weg schnurgerade und ist dabei sicherlich einen geschätzten knappen Kilometer lang. Im Gegensatz zu mir erlebten die Ming-Kaiser diesen Weg in der Regel aus einer eher waagerechten Position – und laufen mussten sie auch nicht wirklich…

Der Weg wird gesäumt von 36 großen Steinfiguren: Löwen, Elefanten, Fabeltiere sowie von zivilen und militärischen Beamten und dient der Referenzerweisung an die verstorbenen Majestäten…

Am Ende des Heiligenwegs kommt man dann zu einer Halle, die einen ganz besonderen Bewohner beherbergt: eine überdimensionale Schildkröte, die über den Heiligenweg wacht und ihren Blick in Richtung der Ming Gräber ausgerichtet hat…

Übrigens: bei der jungen Dame auf Foto Nr. 29 handelt es sich um meinen Tourguide…

Und hier endet es dann…

Auf einer Karte sieht man die Standorte der einzelnen Ming Gräber. Ich schaue mir heute das Changling Grab an, welches das größte, das älteste und das am besten erhaltene ist…

Der hier bestattete Kaiser Zhu Di (1360 -1424) mit dem postumen Titel Chengzu wird nach dem Namen seiner Ära (1403 – 1421) für gewöhnlich Yongle-Kaiser genannt. Er veranlasste den Ausbau Pekings zur Hauptstadt und war nach seinem Vater, dem Dynastie-Gründer, die bedeutendste Herrschergestalt der Ming-Zeit.

Einzig in seinem Grabtempel blieb die Opferhalle erhalten, ein eindrucksvoller Bau mit 32 Säulen aus Nanmu-Holz…